Naturschutzgebiet „Billetal“
Die Bille entspringt nordöstlich der Hahnheide und mündet bei Hamburg in die Elbe. Sie gehört zu den Flüssen in Schleswig-Holstein, die abschnittsweise noch naturnahe, fließgewässertypische Strukturen mit einer charakteristischen Tier- und Pflanzenwelt aufweisen. Das Billetal wurde 1987 zwischen Grander Mühle und Reinbeker Mühlenteich als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das 176 ha große Schutzgebiet schließt den Mündungsbereich des Corbek mit ein und grenzt unmittelbar an das größte zusammenhängende Waldgebiet in Schleswig-Holstein, den Sachsenwald. Das Billetal umfasst Lebensräume von gemeinschaftlicher Bedeutung wie Fließgewässer mit flutender Vegetation, Hochstaudenfluren, Auwälder und Haimsimsen-Buchenwälder. Da es zudem eine herausragende Bedeutung für Fische, Vögel, Muscheln und fließgewässertypische Insekten hat, ist es Bestandteil des Europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“ (Vogelschutzgebiet und FFH-Gebiet).
Entstehung des Billetales
Gegen Ende der letzten Eiszeit formte Schmelzwasser das südlich der Vereisungsgrenze gelegene Billetal. Seitdem hat die natürliche Dynamik fließenden Wassers den stark gewundenen Lauf der Bille immer wieder neu gestaltet und in seiner Lage verändert. Der Fluss ist bis heute weitgehend naturnah erhalten. Typisch sind sowohl schnell als auch langsam fließende Abschnitte, die mancherorts ausgeprägte, hoch aufragende Prallhänge in den Außen- und flache Gleitufer in den Innenkurven aufweisen.
Vielfältige Lebensräume
Die Bille gehört zusammen mit den einmündenden Bächen, den Quellbereichen und den Bruch- und Auwäldern zu den Lebensräumen mit größter Naturnähe der Region. Weitere Biotope und Pflanzengemeinschaften wie Röhrichte, Seggenrieder, Kleingewässer, Hochstaudenfluren, Feuchtwiesen und altholzreiche Hangwälder prägen den Talraum.
Im Billetal leben noch viele charakteristische Arten naturnaher und sauberer Fließgewässer. Aufgrund der Seltenheit solcher Lebensräume sind viele dieser Arten gefährdet. Zu den besonderen Vogelarten gehören Eisvogel, Gebirgsstelze sowie die hier überwinternde Wasseramsel. Auch auf eine gute Wasserqualität angewiesene Fischarten wie Bachforelle, Bachschmerle, Äsche und Elritze haben hier, ebenso wie das zu den Kiefernlosen zählende Bachneunauge, noch natürliche Bestände. Die ökologische Bedeutung des Billetales zeigt sich in den bisherigen Nachweisen von fast 80 Vogelarten, über 20 Fischarten, mehr als 170 holzbewohnenden Pilzarten und über 330 Farn- und Blütenpflanzen.
Lebensraum Bille
Die Bille zeichnet sich in weiten Teilen ihres Verlaufes durch vielfältige naturnahe Uferstrukturen, unterschiedlich starke Strömungen des klaren, weitgehend unbelasteten Wassers und eine sandig-kiesige Sohle (Kiesbänke) im oft krautfreien Gewässerbett aus. Mit einer ganzjährigen Wassertemperatur unterhalb von 20 Grad Celsius gehört die Bille zu den sommerkühlen Gewässern („Kaltwasserbach“). Das Wasser wird flussabwärts kälter anstatt wärmer. Ursachen hierfür sind die Vielzahl einmündender Quellbäche und Quellen mit einer gleich bleibend kühlen Wassertemperatur von 8 Grad Celsius und die Beschattung weiter Gewässerabschnitte durch angrenzende Wälder. Die Temperatur gehört zu den wichtigsten Einflussgrößen auf Lebensvorgänge in Gewässern. Das kalte und damit sauerstoffreiche Wasser bietet die Voraussetzung für artenreiche Lebensgemeinschaften. Vom Laich bis zum ausgewachsenen Tier sind die in der Bille vorkommenden besonderen Fischarten Bachforelle, Äsche, Elritze und Groppe auf naturnahe und strömungsreiche Fließgewässer angewiesen. Mit Ausnahme der Groppe benötigen sie zum Laichen kiesreiche Gewässer („Kieslaicher“). Die Weibchen legen zum Ablaichen flache Gruben im Gewässerbett an. Die Strömung schwemmt den Laich in das Lückensystem des Kiesbettes ein und sorgt zugleich für eine gute Sauerstoffversorgung. Auch das gefährdete Bachneunauge sowie die seltene Bachschmerle benötigen sandig-kiesige, steinige Bachsohlen zur Fortpflanzung.
Der Reichtum an Nahrung, Brutmöglichkeiten sowie die relative Ungestörtheit ist Lebensgrundlage für zahlreiche seltene und gefährdete Vogelarten. Besonders hervorzuheben sind Eisvogel und Gebirgsstelze, die hier stabile Brutbestände aufgebaut haben. Die Wasseramsel nutzt das Gebiet regelmäßig zur Rast und Überwinterung.
Eng an fließendes Wasser gebunden sind Eintags-, Stein- und Köcherfliegen. Sie werden häufig als Zeigerarten für gute Wasserqualität herangezogen und finden in der Bille, ebenso wie die seltene Blauflügelige Prachtlebelle oder die Flussmuschel, einen hervorragend geeigneten Lebensraum.
In den stark beschatteten Waldstrecken ist die Bille kaum von Pflanzen besiedelt. An besonnten Stellen wachsen Igelkolben, Pfeilkraut, Wasserstern und Teichrose. Stellenweise kommt sogar der seltene Flutende Hahnfuß vor.
Wälder im Billetal
Innerhalb des Naturschutzgebietes nehmen Wälder den überwiegenden Teil der Fläche ein. Im engeren Talraum sind naturnahe Au-, Bruch – und Sumpfwälder sowie Pionierwälder anzutreffen. Ihr ökologischer Zustand ist weniger durch gelegentliche Überflutungen der Bille geprägt, sondern wird vor allem von den zahlreichen Quellaustritten entlang des Talrandes beeinflusst. Nach Aufgabe der Bewirtschaftung größerer Teilflächen und Verfall der Gräben ist eine deutliche Vernässung und zunehmende Bewaldung des Talraumes erkennbar. Auf den Talhangkanten werden die Feuchtwälder von Arten des Buchenwaldes abgelöst. Gerade hier findet sich ein hoher Anteil an stehendem oder liegendem Alt- und Totholz. Dieser Bereich ist Lebensraum einer Vielzahl holzabbauender Pilze, aber auch von Insekten und höhlenbewohnenden Vögeln wie Spechte, Hohltaube und Mauersegler.
Künftige Entwicklung
Ziel im Naturschutzgebiet ist in erster Linie der Schutz von natürlichen Abläufen (Prozessen) innerhalb der Fließgewässer sowie deren Wechselbeziehungen mit den umgebenden Flächen. Bei gelegentlichen Überflutungen, Uferabbrüchen, umstürzenden Bäumen, aber auch laufenden Veränderungen in der Zusammensetzung der Pflanzendecke (Sukzession) wird zumeist nicht steuernd eingegriffen. Umgefallene Bäume werden nach Möglichkeit nur dann geräumt, wenn sie Wanderwege versperren oder erhebliche Abflusshindernisse darstellen.
In einigen Talabschnitten werden arten- und blütenreiche Wiesengesellschaften und Staudenfluren durch Mahd oder Beweidung gepflegt. Diese Flächen sind bedeutsame Nahrungsräume für Schmetterlinge und Wildbienen sowie Standorte seltener und gefährdeter Pflanzen. Zudem benötigen auch typische Fließgewässerarten wie Laichkräuter, Teichrose, und Flutender Hahnenfuß besonnte und damit gehölzfreie Gewässerabschnitte. Private Grünlandflächen unterliegen weiterhin der ordnungsgemäßen Landwirtschaft.